Mit Fackeln und Laternen zogen gestern Nachmittag rund 180 Menschen vom Rathaus in Büdelsdorf auf den Rendsburger Schlossplatz. Dort, vor 155 Kerzen – Symbole für die im Jahr 2023 durch (Ex-) Partner getöteten Frauen – sprach u.a. die Leiterin des Rendsburger Frauenhaus, Brücke-Mitarbeiterin Andrea Gonschior, zu den Versammelten:
„Heute vom internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, läuft die Kampagne „Orange the world“ und die helle Farbe Orange soll für ein zukünftiges, gewaltfreies, selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben aller Frauen und Mädchen stehen.
Fast jeden Tag stirbt eine Frau durch Tötung in Deutschland, wobei es täglich fast drei Tötungsversuche gibt. Wir gedenken hier nicht nur den getöteten Frauen. Es werden im Rahmen der Femizide auch Kinder und neue Partner getötet. Und sie alle hinterlassen Kinder und Angehörige, die den Verlust ertragen müssen – lebenslänglich.
Die Zahlen aller Gewaltformen gegen Mädchen und Frauen sind gestiegen, bei häuslicher Gewalt, sexualisierter Gewalt, digitaler Gewalt – und das sind nur die angezeigten Taten. Es gibt ein riesiges Dunkelfeld. Tagtäglich sind Frauen im Alltag, im Beruf, zuhause, auf der Straße, im Netz verschiedensten Formen von Gewalt ausgesetzt von verbalen Sprüchen, über Diskriminierungen bis hin zu Übergriffen. Einige davon werden gar nicht als solche erkannt und sind sogar noch gesellschaftlich akzeptiert. Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen, mit Migrationshintergrund, ältere Frauen, quergeschlechtliche Personen sind in besonderem Maße betroffen.
Geschlechtsspezifische Gewalt hat strukturellen Charakter und begründet sich historisch leider immer noch auf bestehende ungleiche Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, die wir in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens täglich spüren.
Wir fordern eine konsequente Anwendung der geltenden Rechtsprechung! Übergriffe im häuslichen Kontext sind schärfer zu verurteilen wie die Istanbul Konvention es vorsieht und nicht milder, wie es noch geschieht.
Wir brauchen mehr Personal in Frauenberatungsstellen und mehr Frauenhausplätze. Und dringend notwendig ist ein bundesweiter Anspruch auf Hilfe wie es ein aktueller Entwurf zum Gewalthilfegesetz vorsieht.
Aber! Vielmehr brauchen wir endlich Maßnahmen, um die Täter einzuschränken. Nicht die Frauen sollen sich verstecken müssen! Nicht die Kinder aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden, um in einer fremden Stadt alles neu aufzubauen.
Was können wir aber tun, die wir hier zusammenstehen? Wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken und noch mehr gelebte Gleichberechtigung.
Und: es ist kein alleiniges Frauenthema! Wir brauchen die gewaltlosen Männer, die deutlich machen, dass es viele Vorteile hat, gleichberechtigt zu leben. Schämt Euch nicht zu sagen, dass ihr Feministen seid, denn es ist kein Schimpfwort sondern steht für Gleichberechtigung. Wir, Mütter und Väter, wollen keine Angst um unsere Töchter haben, wenn sie erwachsen werden, abends ausgehen und erste Partnerschaften eingehen! Wir können unsere Rollenklischees überprüfen.
Wie erziehen wir unsere Söhne und Töchter? Lassen wir dumme, sexistische, diskriminierende Sprüche und angebliche Scherze von Kolleg*innen, Nachbar*innen, Bekannten stehen oder treten wir dagegen ein? Wir können achtsam sein, wie es den Menschen um uns herum geht und Hilfe anbieten.
Vor allem aktuell müssen wir wählen gehen! Wir müssen eine demokratische Partei wählen, damit wir bisher erkämpfte Gleichberechtigung erhalten und weiter entwickeln können und nicht – wie schon andernorts erkennbar – Rückschritte fürchten müssen, die uns Frauen in unseren Rechten einschränken und in die unterdrückte Frauenrolle zurückgedrängt.
Lassen Sie uns gemeinsam daran mitwirken!“